Gestern (21. Februar) wäre Wolfgang Frank 70 Jahre alt geworden. Wir haben gestern bereits über sein Wirken in Glarus berichtet. Auch kicker.de hat gestern zwei Beiträge zum Leben von Wolfgang Frank veröffentlicht. Gerne stellen wir euch diese Artikel zur Trainer-Legende des FC Glarus zur Verfügung.

Bericht von: kicker.de von Jörg Jakob:

Klopp über Wolfgang Frank: “Ein Visionär, der uns allen die Augen öffnete”
Liverpools Trainer spricht über seine Zeit als Spieler in Mainz

Am Sonntag wäre Wolfgang Frank 70 Jahre geworden. Ohne ihn wäre Mainz nicht da, wo es heute ist. Ohne ihn wäre Jürgen Klopp nicht der Trainer, der er ist. So erinnert sich der Welttrainer des FC Liverpool an seinen 2013 verstorbenen Coach.

Frank kam im September 1995 zum Zweitligisten Mainz und fand eine Mannschaft vor, die scheinbar unverrückbar am Tabellenende festgenagelt war. Das konnte auch Frank zunächst nicht ändern, doch in der langen Winterpause krempelte er vor allem die taktische Formation um. Der Libero wurde entrümpelt, stattdessen setzte er auf Viererkette und Raumdeckung. Im deutschen Fußball Mitte der 1990er Jahre eine Revolution, die Jürgen Klopp als Spieler hautnah miterlebte. Und die seine Entwicklung als Trainer maßgeblich beeinflusste.

Frank, der am 7. September 2013 wegen eines Hirntumors verstarb, wäre an diesem Sonntag 70 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass bat der kicker Jürgen Klopp, seine Erlebnisse und Erfahrungen mit Frank Revue passieren zu lassen.

Jürgen Klopp über die Person Wolfgang Frank:

“Wolfgang Frank hat mich persönlich und fußballerisch geprägt. Persönlich, weil er einfach ein netter Mensch war. Es war der einzige Trainer, mit dem ich mich gestritten habe. Vielleicht kann man aber auch sagen: Ich habe mit ihm laut diskutiert, um dann nicht sicher zu sein, ob ich am nächsten Tag überhaupt noch angestellt bin. Aber er hat mich weiter ganz normal einbezogen, mir gezeigt, dass man unterschiedlicher Meinung und sich trotzdem einig sein kann. Ein großartiger Trainer, ein großartiger Mensch und ein ganz, ganz großer Verlust für die Fußballwelt. Er hätte noch viel zu sagen gehabt.”

… über die tägliche Arbeit mit Frank:

“Was seine Arbeitseinstellung anging, hat er mich mit Sicherheit geprägt. Er war der erste, der morgens um neun aufs Trainingsgelände kam, und er ging abends um 22 Uhr. Ich habe zunächst gar nicht verstanden, was er alles gemacht hat, außer, dass er sich viele, viele Videos angeschaut hat. Er hat mir einfach gezeigt, wie man mit einer Mannschaft umgehen kann, wie man der Mannschaft eine klare Linie vorgeben und eben trotzdem ein familiäres Gefühl vermitteln kann.”

… über Franks Wirken in Mainz:

“Er hat uns Selbstvertrauen gegeben. Mainz 05 war ein Verein, der wusste, dass es in der 2. Liga vom Geld und der Infrastruktur her sehr schwer werden würde. Aber Wolfgang Frank hatte früh die Idee, vor allem diese zu ändern: Man muss ins Stadion investieren, man muss ins Trainingsgelände investieren. Er hat dazu verholfen, den Verein auch in der Zukunft zu sehen und nicht nur im Jetzt. Er hatte Ideen – und schenkte uns das Gefühl, gemeinsam diese Zukunft positiver gestalten zu können. Man kann es wohl nicht anders sagen: Er war ein Visionär.”

… über das, was Frank taktisch verändert hat:

“In einer kurzen Antwort: alles. Die längere Antwort: den Zugang für uns als Spieler zum Spiel. Wolfgang ist mit der klaren Idee nach Mainz gekommen, eigentlich alles zu verändern. Zu dem damaligen Zeitpunkt bedeutete das: weg von der Manndeckung hin zur ballorientierten Raumdeckung. Das klingt heute so normal und war damals ein riesiger Schritt. Im Normalfall hätte er eine große Überzeugungsarbeit leisten müssen bei einer Fußballmannschaft. Da wir aber keine Punkte hatten, waren wir relativ froh, dass es offensichtlich einen Ansatz gab, der die Sache etwas weniger abhängig machte von unserer jeweiligen individuellen Qualität. Also haben wir auf 4-4-2 umgestellt und eine Position neu besetzt. Er hat mich zum Außenverteidiger in diesem 4-4-2 umfunktioniert und hat das komplette Training damit auch verändert.”

… über das Training von Frank:

“Wir sind komplett weggegangen von irgendwelchen Spielsituationen, also davon, mit Ball zu trainieren. In der Anfangszeit sind wir ausschließlich taktisch gelaufen. Wir haben ausschließlich verschiedene Situationen gegen den Ball durchgespielt, haben ausschließlich Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen überprüft. Und trainiert, dass die richtige Distanz da war zwischen den einzelnen Gruppen. Was uns allen die Augen dafür geöffnet hat, wie sehr wir mit einer Formation die Größe des Spielfelds beeinflussen können. Bei allem, was wir gemacht haben, ging es darum, dem Gegner einen Raum anzubieten, in den er spielen sollte, um uns dadurch die Möglichkeit zu geben, den Ball dort zu erobern. Es war eine unglaublich spannende Zeit, die uns allen die Augen geöffnet hat.”


Bericht von: kicker.de von Michael Ebert:

Wolfgang Frank: Der Innovator, der nicht nur Klopp inspirierte
Der frühere Mainzer wäre am Sonntag 70 Jahre geworden

Als einer der Ersten führt Wolfgang Frank die Raumdeckung ein. Mit seinen Strategien inspiriert er so manchen Trainer. Auch Jürgen Klopp. Am Sonntag wäre Frank 70 Jahre alt geworden.

Am Rosenmontag vor 20 Jahren war Jürgen Klopp bei Mainz 05 über Nacht vom Spieler zum Trainer mutiert. Wolfgang Frank war damals schon Geschichte am Bruchweg. Vier Kurzzeittrainer hatten vergeblich versucht, Franks Ideen fortzuführen. Dann kam Klopp, hievte den Verein 2004 in die Bundesliga und blieb über sieben Jahre. Klopp ist einer von mehreren Frank-Spielern, die Trainer wurden. Sandro Schwarz, Torsten Lieberknecht, Jürgen Kramny, Rüdiger Rehm, Christian Hock, Uwe Stöver und Peter Neustädter zählen ebenfalls dazu.

“Wolfgang Frank gehört zu einer kleinen Gruppe von Trainern, die in Deutschland in den 90ern damit begann, Fußball in Räumen zu denken. Bis dahin ging es im Spiel eher um feste Zuordnungen, um den jeweiligen Gegenspieler, Torjäger, Spielmacher oder Abwehrchef”, erinnert sich Volker Finke, der mit dem SC Freiburg einen ähnlichen Weg beschritt.

Diese Modernisierung habe in Deutschland relativ spät stattgefunden. “Eine Mannschaft ohne Libero? Das war lange Zeit schwer vorstellbar. Speziell der Mittelmeerfußball, wie er in Italien oder Spanien praktiziert wurde, war uns da um Jahre voraus”, blickt Finke zurück. Dass diese Ideen eher an kleineren Standorten des Profifußballs entstanden und später auch von Ralf Rangnick beim SSV Ulm umgesetzt wurden, ist aus Sicht des früheren Freiburg-Coaches kein Zufall: “Wir hatten einfach auch nicht dieses teure Personal auf dem Platz und mussten uns anders zu helfen wissen.”

Während Finke und Rangnick als Spieler nie im Oberhaus aufliefen, blickte Frank auf 215 Bundesligaspiele für den VfB Stuttgart, Eintracht Braunschweig, Borussia Dortmund und den 1. FC Nürnberg zurück, in denen er 89 Tore erzielte. Wie Finke schwärmte Frank für die Ideen von Arrigo Sacchi, “der mit dem AC Mailand schon in den 80ern den Fußball modernisiert hat”, so Finke, der den Italiener damals ebenfalls “genau beobachtete”.

Als Frank, der Rot-Weiss Essen 1994 ins DFB-Pokal-Finale geführt hatte (1:3 gegen Bremen), im September 1995 erstmals in Mainz anheuerte, machte er zunächst einmal weiter wie seine Vorgänger, der FSV blieb das Schlusslicht der 2. Liga. “Vor dem Wintertrainingslager kam dann Wolfgang zu mir und sagte: Wir müssen etwas komplett anderes machen, so schaffen wir es nicht. Er wollte auf Viererkette umstellen, was in Deutschland fast keiner kannte”, erzählt Christian Heidel. Auch der Mainz-Manager war skeptisch.

Wegen der Witterung wurde das Trainingslager auf Zypern auf drei Wochen verlängert, “dort sind wir die gesamte Zeit nur um Stangen rumgelaufen und haben verschoben”, führt Heidel aus. Frank sei von der Idee “wie besessen gewesen”, so intensiv habe Mainz noch nie trainiert. Aus dem Tabellenletzten wurde die beste Mannschaft der 2. Liga, in der Jahrestabelle 1996 war das Frank-Team mit 57 Punkten plötzlich Erster.

Trotzdem trennten sich die Wege im März 1997. “Später hat Wolfgang gesagt, der größte Fehler seiner Karriere sei gewesen, dass er zu schnell die Geduld verlor”, betont Heidel. Für den Manager war die Zusammenarbeit “die anstrengendste Zeit, die ich je im Fußball erlebt habe”. Frank habe “von morgens um sieben bis abends um elf Uhr alle auf Trab gehalten”.

Im April 1998 erinnerte sich Heidel an die fruchtbare Zusammenarbeit und warb den Fußballlehrer von Austria Wien ab, diesmal dauerte sie zwei Jahre an. Im Frühjahr 2000 informierte Frank den Manager, dass er im Sommer trotz eines langfristigen Vertrags zum MSV Duisburg wechseln wolle. “Mir war klar, dass es rauskommt, deshalb habe ich zu ihm gesagt: Wenn du gehen willst, dann gleich!” Was Frank tat.

Beide Phasen von Frank in Mainz erlebte Jürgen Klopp hautnah als Spieler. 91 seiner 293 Zweitligaeinsätze bestritt er unter Frank. “Von ihm habe ich beruflich am meisten mitbekommen”, stellte Klopp später fest und nannte es “eine Offenbarung”, wie das kleine Mainz mit seinem System Spiele gegen bessere Mannschaften gewinnen konnte. Die Faszination des Spiels verbreitete Frank nicht nur im Spieler-, sondern auch im Familienkreis. Seine Söhne Sebastian und Benjamin arbeiteten zunächst als Scouts für Premier-League-Klubs, darunter den FC Liverpool, mittlerweile sind sie für Borussia Dortmund tätig.

Franks Trainerkarriere war ziemlich schnelllebig, die durchschnittliche Verweildauer bei einem Klub betrug nur wenig mehr als ein Jahr. In Duisburg war im Sommer 2000 bereits nach drei Monaten Schluss, beim MSV kam man mit Franks Hang zur Spiritualität nicht zurecht. In Mainz hatten sich Profis und Staff nach einer Spielersitzung die Hand reichen und aufsagen müssen: “In uns brennt ein Licht!”

Nach Duisburg trainierte Frank die SpVgg Unterhaching, Sachsen Leipzig, Kickers Offenbach, den Wuppertaler SV, Wehen Wiesbaden, Carl Zeiss Jena und KAS Eupen in Belgien. In der deutschen 2. Liga saß er bei 236 Spielen auf der Bank, in der 3. Liga 23-mal. “Von seinem Fachwissen her hätte er jede Bundesligamannschaft trainieren können, er war zu oft nicht mit sich selbst im Reinen”, meint Heidel, der mit Frank später gut befreundet war.

Am 7. September 2013 starb Wolfgang Frank in Mainz im Alter von nur 62 Jahren an einem Hirntumor.