In der aktuellen Ausgabe des OFV-Magazins wurde unser Schiedsrichter Marc Schneider portraitiert. Gerne stellen wir euch an dieser Stelle diesen tollen Bericht zur Verfügung.

Marc Schneider ist 24 Jahre alt und steht für den FC Glarus jeden Samstag als Schiedsrichter im Einsatz. Für den Frühling 2021 hat er die Qualifikation erhalten, um 2. Liga Spiele zu pfeifen. Der FC Glarus gratuliert seinem Schiedsrichter-Talent zu diesem Aufstieg.

OFV-Info Ausgabe 2 Winter 2021:

BEREIT FÜR DEN NÄCHSTEN SCHRITT
Ein Spielbericht der etwas anderen Art
von Marc Schneider

Es war ein kurzes Gespräch. Reto Rutz, Talentgruppen-Verantwortlicher des Ostschweizer Fussballverbandes, suchte für einen Einsatz mit Spielbeobachtung durch Schiedsrichterkolleginnen und -kollegen im Oktober 2020 einen Kandidaten. Für den Angesprochenen war die Antwort sofort klar: «Ja, dieser Herausforderung möchte ich mich stellen!» Dabei handelte es sich um den Glarner Marc Schneider. Nachstehend nun seine persönlichen Eindrücke aus dieser 3. Liga Partie zwischen dem FC Besa und dem FC Weinfelden-Bürglen.

Seit dem Frühjahr 2017 leite ich Fussballspiele und das mit grosser Leidenschaft. Mein Weg führte von Halbjahr zu Halbjahr nach oben bis in die 3. Liga, bevor ich mich im Frühling 2019 mit einem Auslandaufenthalt selber ein wenig ausbremste. Und dann grassiert seit diesem Jahr auch noch dieses immer noch lästige Ding namens Corona, welches die ganze Welt mehr oder weniger zum Stillstand bringt. Bei der Wiederaufnahme des Spielbetriebs im vergangenen Sommer stand ich erstmals wieder als Assistent in der 2. Liga interregional im Einsatz. Meine Devise für die Corona-Saison war klar: Jetzt erst recht Vollgas geben!

Im Juli 2020 nahm das lange Warten endlich ein Ende. Endlich durfte ich als Schiedsrichter 3. Liga Luft schnuppern. Darauf folgten weitere Einsätze in Testspielen. Ich nutzte sie, um mich fit für die Meisterschaft zu machen. Auch im Hinblick auf die Spielbeobachtung, arbeitete ich zudem fleissig an meiner Kondition. Ich nahm Wochenende für Wochenende und Spiel für Spiel und versuchte dabei natürlich immer mein Bestes zu geben. Im Hinterkopf hatte ich dabei stets das erwähnte Spiel, welches im altehrwürdigen Espenmoos stattfinden sollte. In den vergangenen Jahren durfte ich als Talentschiedsrichter bereits zwei solche Spielbeobachtungen miterleben. Eine davon, im Jahr 2018, fand ebenfalls im Espenmoos und auch mit Beteiligung des FC Besa statt. Meine Erinnerungen daran sind ziemlich durchzogen. Die Partie war enorm hitzig und es gab unschöne Szenen. Zu jenem Zeitpunkt war ich mir sicher, dass ich nie eine solche Partie vor der gesamten Schiedsrichter-Talentgruppe leiten möchte.

Auf einmal war es dann aber halt doch soweit. Das Spiel in St. Gallen war auf 14 Uhr angesetzt, die Temperatur betrug frische zwölf Grad, Sonne und Wolken wechselten sich ab. Der Platz war tief, schön anzusehenden Fussball durften die Zuschauer heute nicht erwarten. Ich richtete mich in der Schiedsrichtergarderobe ein und bereitete mich wie immer vor. Vor jedem Spielen verspüre ich eine leichte, aber angenehme Nervosität. An diesem Sonntag war die Aufregung aber ein wenig grösser. Kein Wunder, denn jede meiner Bewegungen und Handlungen würden in den kommenden gut 90 Minuten rund 20 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter beobachten. Um mich zu pushen, versuchte ich meine Nervosität in positive Energie umzuwandeln, welche mich nach vorne treiben und mir zu einem fokussierten Spiel verhelfen sollte.

13:57 Uhr: Ein langer Pfiff ertönt aus meiner Pfeife. Es war der Anpfiff. Drei Minuten zu früh, doch ich wollte beginnen. Mein Plan war klar: Keinesfalls Hektik und Aggressivität aufkommen lassen. Wenn mir dies gelänge, wäre das wohl bereits die halbe Miete. Deshalb wählte ich eine tiefe Foullinie, pfiff auf beiden Seiten früh und möglichst konstant. Gefühlsmässig gelang es mir schnell ins Spiel zu finden und das Gros der Spieler auf meine Seite zu bringen. Die Akzeptanz war da, auch kritische Entscheide wurden hingenommen, auch wenn sie möglicherweise nicht immer ganz korrekt waren. Spielerisch kam es so, wie das auf dieser Unterlage zu erwarten war: Viele Fehler und Ballverluste. Es war also alles andere als ein fussballerischer Leckerbissen. Zu meiner Freude standen sich aber 22 mehr oder weniger erwachsene Männer gegenüber, die Fussball spielen wollten. Obwohl viel Kampf dabei war, stand das Spiel stets im Vordergrund.

So lief die Partie hin und her und einzig je ein Zweikampf in den jeweiligen Strafräumen sorgte bis dahin für ein wenig Aufregung. Das änderte sich in der 32. Minute. Besa im Angriff, drei Meter vor der Grundlinie, halb links ausserhalb des Strafraums. Ein Zweikampf zwischen Stürmer und Verteidiger. Beide arbeiteten mit dem Oberkörper im Kampf um den Ball. Der Stürmer vermochte das runde Leder dabei zu behaupten, der Verteidiger ging zu Boden. Ich konnte kein erkennbares Foul entdecken. Allerdings irritierte mich, dass ein Körperteil des Verteidigers beim Fallen sehr unnatürlich deformiert wurde. Der Spieler hatte sich den Ellbogen ausgerenkt. Ich unterbrach die Partie, trotz der Tatsache, dass der ballführende Spieler des FC Besa bereits im Strafraum war. Sofort gab ich den Betreuern das Zeichen, damit sich diese um den verletzten Spieler kümmern konnten. Die Besa-Spieler waren mit diesem Entscheid nicht zufrieden, da ich mit dem Pfiff einen aussichtsreichen Angriff unterband. Bei der anschliessenden Diskussion erklärte ich dem Besa-Stürmer meine Aufgabe auf dem Platz: Einerseits über Spielsituationen zu entscheiden, andererseits aber auch die Spieler zu schützen. Bei einer solch offensichtlichen Verletzung war für mich ein Unterbruch Pflicht.

Zur Halbzeit führten die Gäste 1:0. Lediglich einmal hatte ich bis dahin den gelben Karton gezückt. Die zweite Hälfte startete so, wie die erste aufgehört hatte: ziemlich ruhig. Nach rund 20 Minuten wurde es dann wieder hektischer. Es kam zu einem Elfmeter und innert zehn Minuten zu vier gelben Karten. In der Folge beruhigten sich die Gemüter zum Glück wieder mehrheitlich. Der Ausgleich durch das Heimteam war nach deren Leistungssteigerung in der 2. Hälfte gerecht. Als schon alle mit einem Unentschieden rechneten, gingen fünf Minuten vor Spielschluss die Gäste aus Weinfelden wieder in Führung. Besa war erneut gefordert, aber auch ich musste meine letzten Kräfte mobilisieren, denn diesem Zeitpunkt war ich bereits elf Kilometer gelaufen.

Drei Minuten noch. Ein Ball kam links aussen im Gästestrafraum zum Flügelspieler des FC Besa. Eine Flanke, eine Kopfballverlängerung in die Mitte, ein Schuss kurz vor dem zweiten Pfosten. Ausgleichstor für den FC Besa. Ich bestätige dieses unter grossem Protest der Gäste. Abseits soll es gewesen sein, dennoch bleib ich bei meiner Entscheidung. Dann war Schluss. Ziemlich ausgepowert machte ich mich auf in Richtung Garderobe. Unter der Dusche liess ich das Spiel in Gedanken nochmals kurz Revue passieren, hauptsächlich die Schlüsselszenen. Was gelang mir gut? Was weniger? Dieses Prozedere führte ich aufgrund des anstehenden Coachings intensiver als sonst durch. Das anschliessende Gespräch mit Coach Martin Koller verlief gut. Mir gelang es dabei, das Spiel ziemlich passend zu reflektieren. Mein Gefühl war im Grossen und Ganzen gut und wurde auch durch die positive Bewertung des Coaches bestärkt. Als Belohnung gewann ich nicht nur eine wertvolle Erfahrung, sondern ich bekam auch einen Vorschlag für die nächsthöhere Liga. Ich hoffe nun, dass dieser Match mich einen weiteren Schritt in Richtung meines nächsten Ziels geführt hat. In die 2. Liga!