Bericht von Paul Hösli – Südostschweiz – Dienstag 21. Juli 2020
Delia Cescato gehört zu den talentiertesten Spielerinnen im Glarner Frauenfussball. Seit diesem Jahr figuriert die 16-Jährige im Kader des NLB-Teams des FC Rapperswil-Jona an. Es soll aber noch weiter nach oben gehen.
Die Vergleiche im Fussball zwischen Männer- und Frauenteams fielen in der Vergangenheit heftig aus – zuungunsten der Frauen. Diese Erfahrung musste Delia Cescato zu Beginn ihrer Karriere als Fussballerin ebenfalls machen. Das Mädchenteam des FC Glarus musste sich mit den Jungs messen. “Teilweise kassierten wir hohe Niederlagen”, blickt ihr Vater und auch erster Trainer Alessandro Cescato zurück. “Die Mädchen haben aber nie aufgegeben oder sich beschwert, sie sind Kämpferinnen”, führt er weiter aus. Mit dabei im damaligen Mädchenteam war auch seine eigene Tochter Delia.
Das Durchbeissen hat sich nun ein erstes Mal ausbezahlt. Seit diesem Jahr gehört die 16-Jährige aus Riedern dem Kader des Nationalliga-B-Teams der Frauen des FC Rapperswil-Jona an. “Einen Kurzeinsatz hatte ich bis jetzt, und dies gleich gegen den FC Zürich. Das war toll”, schwärmt die Fachmittelschülerin. Dass Delia Cescato talentiert ist, zeigte sich bereits früh. Auch wenn sie verhältnismässig spät mit dem Fussball angefangen hat. “Erst mit zehn Jahren, zuvor tanzte ich”.
Dass sie früher oder später das Fussballfieber packt, liegt aber auf der Hand. Die Familie Cescato darf durchaus als fussballverrückt bezeichnet werden – im positiven Sinn. Vater Alessandro Cescato spielte während seiner Juniorenzeit für den Grasshoppers Club Zürich, als Aktiver unter anderem in der 1. Liga für den FC Glarus, wo er später auch Trainer der ersten Mannschaft war. Und auch Delias Götti Sascha Cescato streifte das Trikot des FC Glarus in der 1. Liga über.
Die Nationalliga A im Fokus
Bereits früh weckte die talentierte Fussballerin das Interesse anderer Vereine. So hätte sie auch für die Nachwuchsteams von St. Gallen spielen können. Letztlich entschied sie sich in Absprache mit ihrer Familie, die sie in globo unterstützt, für den FC Rapperswil-Jona. Aus dem simplen Grund: “Es ist geografisch näher. Mehrmals in der Woche nach St. Gallen zu reisen, wäre für alle eine grosse Herausforderung und eine Belastung gewesen”, so Alessandro Cescato.
Der 44-Jährige spricht aufgrund seines Engagements bei den Junioren von GC aus eigener Erfahrung. “Wir sind überzeugt, dass Rapperswil-Jona die richtige Entscheidung ist. Und jetzt spielt sie endlich in einer reinen Frauenmannschaft und nicht wie zuvor in einem gemischten Team. Das war an der Zeit”, ergänzt der Verkaufsleiter bei einer Versicherung in Glarus.
Delia Cescato definiert ihre kurzfristigen Ziele bei Rapperswil-Jona wie folgt: “Zuerst möchte ich mir einen Stammplatz erkämpfen und später allenfalls mit dem Team aufsteigen”. Aus ihrem Wunsch, eines Tages in der höchsten Schweizer Liga, also der Nationalliga A, zu spielen, macht die Mittelfeldspielerin keinen Hehl. Delia Cescato verfügt über eine feine Technik am Ball, was sie wohl von ihrem Vater geerbt hat. “Ich mag es, das Spiel vor der Abwehr zu machen und zu lenken. Ähnlich wie Granit Xhaka”, erklärt sie und lächelt.
Den Respekt der Jungs erarbeitet
Der Frauenfussball hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht, vieles wurde professioneller. Dennoch wird der Sport noch immer von einigen belächelt. Delia Cescato lässt dies kalt – im Gegenteil. “Es ist dann umso schöner, wenn ich auf dem Platz beweisen kann, wozu Frauen fähig sind”, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
So hat sie sich auch den Respekt bei den B-Junioren des FC Glarus erarbeitet. Sie hat in diesem Frühling mit dem Team von Trainer Renato Micheroli mittrainiert, da in Rapperswil-Jona der Trainingsbetrieb wegen dem Coronavirus ruhte. Sie konnte problemlos mit den Jungs mithalten.
Amerika wird vielleicht ein Thema
Noch steht sie am Anfang ihrer Karriere, diese möchte sie schrittweise vorantreiben. Das Niveau in der Schweiz ist mittlerweile beachtlich, im europäischen Vergleich hinkt die Schweiz den Topligen aber noch hinterher. Frankreich, Deutschland, England und neu auch Spanien sind die Topadressen im Frauenfussball.
Das Mass der Dinge im Frauenfussball ist aber die amerikanische Liga. Das US-Nationalteam ist das weltweit erfolgreichste. In der Liga verfolgen Zehntausend Zuschauer die Spiele live in den Stadien, wenn nicht gerade das Coronavirus die Sportwelt lahmlegt. Frauenfussball in Amerika ist sehr beliebt und ein grosses Geschäft. “Wir haben auch schon über Amerika gesprochen”, sagt Delia Cescato.
Dies sei aber noch Zukunftsmusik, dennoch könne sie sich das Abenteuer in den USA durchaus vorstellen, so Delia Cescato. Üblich ist, dass die jungen Menschen in Amerika ein Studium absolvieren und für das jeweilige College Fussball spielen.
Schweiz oder Italien?
Für eine nationale Auswahl ist Delia Cescato bisher noch nicht aufgelaufen. Und für Vater Alessandro Cescato ist klar: “Wer eine erfolgreiche Karriere absolvieren will, muss eigentlich in jungen Jahren bereits für eine Auswahl gespielt haben”. Er relativiert aber, dass es Ausnahmen gebe. “Wie Christian Fassnacht von den Young Boys Bern”, nennt er das wohl prominenteste Beispiel im Schweizer Fussball.
Wie der Name vermuten lässt, hat die Familie Cescato ihre Wurzeln in Italien, in Belluno im Norden des Landes. So besitzt Delia Cescato neben dem Schweizer Pass auch den italienischen. Auf die Frage, für welches Land sie dereinst spielen würde, zögert sie kurz. Sie schaut zu ihrem Vater, der krümmt sich vor lachen. “Die Schweiz, oder?”, sagt sie letztlich unsicher. Beide lachen.
Noch muss sich Delia Cescato nicht mit dieser Frage auseinandersetzen. Noch nicht. Im Fokus stehen vorerst die schulische Weiterbildung und die fussballerische Entwicklung beim FC Rapperswil-Jona in der NLB.